Öffentliche Stellungnahme der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zum 100-jährigen Gedenken an den Völkermord an den Armeniern 2015
I
Die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erinnert an den Völkermord am armenischen Volk, der sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. Er begann am 24.April 1915, als auf Betreiben der jungtürkischen Regierung in der damaligen osmanischen Hauptstadt Istanbul die armenische Oberschicht von Ärzten, Juristen, Journalisten u. a. verhaftet, ins Landesinnere deportiert und dort größtenteils ermordet wurde. Dieses Datum ist zum Gedenktag der Armenier in aller Welt an Vertreibung und Ermordung der armenischen Bevölkerung im osmanischen Reich geworden.
Armenische Soldaten der osmanischen Armee wurden mehrheitlich ermordet; Frauen, Kinder und Alte wurden auf Todesmärsche durch die syrische Wüste geschickt. Unterwegs wurden von Spezialeinheiten Massaker an den Deportierten verübt; die letzten Überlebenden wurden in den Lagern in der Wüste um DeirezZor umgebracht.
Nach Berechnungen unabhängiger Historiker fielen den Deportationen und Massenmorden mindestens eine Million, wahrscheinlich mehr als 1,5 Millionen Armenier zum Opfer. Außer den armenischen waren auch etwa 600.000 aramäische, chaldäische, assyrische und griechische Christen von den mörderischen Maßnahmen betroffen. Der Völkermord an diesen Bevölkerungsgruppen gehört in das Bewusstsein aller Menschen, welcher politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung oder nationalen Herkunft auch immer. Es ist eine unauslöschliche Mahnung für politische, interkulturelle und interreligiöse Verständigung.
II
Während des Ersten Weltkrieges war das Deutsche Reich als Hauptverbündeter des osmanischen Reiches in diese Vorgänge tief verstrickt. Die politische und militärische Führung war durch Informationen des evangelischen Pfarrers Johannes Lepsius von Anfang an über das türkische Vorgehen gegen die Armenier gut informiert. Sie hat jedoch nichts unternommen, um dem massenhaften Morden Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil: Sie hat die Lepsius-Dokumentation von 1916 „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ verboten und beschlagnahmt. Adolf Hitler sagte vor Offizieren zu seinem Vorhaben der Judenvernichtung: „Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“
90 Jahre nach 1915 hat sich der Deutsche Bundestag in einer Erklärung vom 15.Juni 2005 erstmals zur deutschen Mitverantwortung an den Untaten gegenüber den Armeniern bekannt. Wir begrüßen es, wenn er 100 Jahre nach den begangenen Gräueltaten in diesem Jahr sich eindeutig von dem damaligen Völkermord am armenischen Volk distanziert, gegenüber den in Deutschland lebenden Armeniern das ihren Vorfahren widerfahrene Menschheitsverbrechen öffentlich anerkennt und die Türkei zur Aufarbeitung statt Leugnung der Geschehnisse um 1915 auffordert.
III
In Köln sind wir mit den Armeniern in besonderer Weise verbunden. Denn seit 1990 hat die Diözese der Armenisch-apostolischen Kirche in Deutschland ihren Hauptsitz in Köln-Niehl(Allensteiner Straße 5,50 735). Als Primas steht ebenfalls seit 1990, also seit 25 Jahren,Erzbischof Karekin Bekdjian an ihrer Spitze. Seit 1997 gibt es einen Partnerschaftsverein zwischen Köln und Istanbul, wo sich ebenfalls ein armenisches Katholikat befindet. Wir sind dankbar für das öffentliche Engagement, das unser verstorbenes Mitglied, der Schriftsteller Ralph Giordano, immer erneut zugunsten der Armenier an den Tag gelegt hat, deren Zerstreuung in alle Welt dem Schicksal vieler Juden entspricht. Wir freuen uns auch über die „armenische(n) Kulturtage“, die das Domforum seit einigen Jahren jeweils im Herbst durchführt.
Auf diesem Hintergrund bekunden wir als Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit anlässlich des 100. Gedenktages an den Völkermord von 1915 unseren armenischen Schwestern und Brüdern unsere besondere Solidarität. Wir schlagen eine eigene Gedenkveranstaltung der Stadt Köln zu diesem Anlass 1915 –2015 im Historischen Rathaus vor und unterstützen die Aufstellung eines armenischen Kreuzsteins an geeigneter öffentlicher Stelle.Wir regen an, der Diözese der Armenisch apostolischen Kirche einen angemessenen Ort in der Kölner Innenstadt zur Verfügung zu stellen.