Soeben wurde die aktuelle Ausgabe unseres Newsletters verschickt. Darin finden sich Informationen zu kommenden Veranstaltungen, Literatur-, Film und Podcastempfehlungen sowie einige wichtige Meldungen aus den vergangenen Wochen.
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Liebe Mitglieder, Unterstützer*innen und Interessierte,
am 19.02.2021 jährt sich der rassistische Anschlag in Hanau zum ersten Mal. Vor einem Jahr erschoss ein Angreifer in zwei Shisha-Bars insgesamt neun Menschen, bevor er im Anschluss zunächst seine Mutter und dann sich selbst tötete. In Zusammenhang mit seiner Tat veröffentlichte er ein Manifest, in dem er von einer weltweiten rassistischen Massenvernichtung phantasierte. Da das Manifest zugleich deutliche Hinweise auf eine paranoide Schizophrenie lieferte, entbrannte in der Folge eine Debatte, ob Rassismus tatsächlich das primäre Tatmotiv gewesen sei. Dabei blieb vielfach unverstanden, dass rassistische und insbesondere antisemitische Denkmuster selbst grundsätzlich paranoide Züge aufweisen. Das im Internet und auf Kundgebungen der AfD zu findende rassistische Gerede etwa vom „großen Austausch“, wonach die deutsche Bevölkerung gezielt durch Flüchtlinge ersetzt werde, unterstellt ebenso wie die klassischen antisemitischen Verschwörungstheorien ein allmächtiges Komplott, dem sich „das deutsche Volk“ ausgeliefert sehe. Die Anschlussfähigkeit und Funktionalität solcher kruden Annahmen im Kontext wahnhafter psychischer Erkrankungen liegt auf der Hand. Weniger rassistisch, antisemitisch und auch gefährlich werden sie dadurch nicht.
Nur wenige Monate vor den schrecklichen Morden in Hanau fand der rechtsextreme Anschlag auf die Synagoge und einen Imbiss in Halle statt, im Zuge dessen zwei Menschen getötet wurden. Wiederum nur wenige Monate zuvor wurde der CDU-Politiker Walter Lübcke von einem Rechtsextremen erschossen, der nun Ende letzten Monats zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde.
Der Rechtsextremismus erweist sich in trauriger Regelmäßigkeit als mörderisch und bedarf einer entschiedenen politischen und gesellschaftlichen Antwort.
Während konkrete Anschlagspläne meist nur noch von den Sicherheitsbehörden verhindert werden können, in deren Reihen jedoch wiederholt Rechtsextremisten, Neonazis und Rassisten aufgedeckt werden, kommt der Prävention eine bedeutende Rolle zu. Neben politischer Bildungsarbeit muss es zivilgesellschaftlichen Protest geben, um rechtsextremer Propaganda nicht den öffentlichen Raum zu überlassen.
Wohin Agitation und systematische Lügenpropaganda führen kann, haben wir in den USA gesehen. Jetzt werden republikanische Senatoren und Abgeordnete von Trump-Fanatikern mit Mord bedroht, wenn sie im Impeachement-Verfahren für seine Verurteilung stimmen sollten.
Nicht selten geraten auch in Deutschland Personen, die sich öffentlich gegen Rechtsextremismus positionieren, selbst in dessen Fokus. Vor allem die völlig unkontrollierten und häufig am Hass orientierten sog. Sozialen Netzwerke werden für gezielte Drohungen genutzt. Vor diesem Hintergrund erscheint das in Nordrhein-Westfalen beabsichtigte neue Versammlungsgesetz, wonach der Anmelder einer Versammlung mit seinem Namen zur Versammlung aufrufen müsste, angesichts neonazistischer Bedrohungs- und „Feindes“-listen als mögliches Hindernis für zivilgesellschaftliches Engagement, das andererseits so dringend nötig ist.
Fragwürdig und kontraproduktiv erscheint z.B. das in Niedersachen geplante Verbot antifaschistischer Gruppen, gegen das sich in einer gemeinsamen Stellungnahme 300 Organisationen sowie zahlreiche Einzelpersonen ausgesprochen haben. Erinnert werden muss man in Köln auch daran, dass dem Angreifer, der Henriette Reker im Jahr 2015 mit einem Messer zu töten versuchte und sie dabei schwer verletzte, erst dank Recherchen von Nichtregierungsorgansiationen seine jahrzehntelange Neonazi-Vergangenheit nachgewiesen werden konnte. Die Polizei war völlig ahnungslos und ging die Sache oberflächlich an, ohne nach politischen Hintergründen zu recherchieren, wie leider schon so oft zuvor auch (Keupstraße, NSU-Skandal). Nicht zu verstehen ist, dass im Jahr 2019 der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde und die Initiative Exit Deutschland, die ausstiegswillige Neo-Nazis berät und beim Ausstieg unterstützt, in der Vergangenheit mehrfach vor dem Aus stand.
Soll aber der Kampf gegen Rechtsextremismus kein Lippenbekenntnis für Betroffenheitsrituale von Politikern sein, das seit Jahren vor allem in Anbetracht erschütternder Anschläge abgelegt wird, müssen die vorhandenen Initiativen finanziell abgesichert werden, mehr noch:
Angesichts antidemokratischer Tendenzen in der Gesellschaft bedarf es einer Demokratieoffensive, die auf kritisches Denken und mündige Bürger abzielt, eines Ausbaus der Unterstützung.
Gerne weisen wir in diesem Zusammenhang auf das gerade neu gestartete Projekt „Shalom Cologne“ unseres Kooperationspartners des „Kölner Forum für Kultur im Dialog“ hin (siehe Näheres in diesem Rundbrief).
Auch wir versuchen selbstverständlich weiterhin, Rassismus und Antisemitismus etwas entgegen zu setzen. Dies tun wir im Kontext der Corona-Pandemie nach wie vor unter erschwerten Bedingungen, wenn gleich unsere Online-Angebote zu unserer Freude auf reges Interesse stoßen.
Ob bzw. in welcher Form wir unsere für das Frühjahr geplanten Veranstaltungen durchführen können, werden wir leider immer erst kurzfristig entscheiden müssen. Dies gilt unter anderem auch für unsere Veranstaltung mit Sascha Lobo, den wir wie schon im letzten Jahr im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit für einen Vortrag am 26.4. eingeladen hatten. Auch das genaue Datum unserer diesjährigen Mitgliederversammlung steht noch nicht fest, wird Ihnen aber von uns frühestmöglich mitgeteilt.
Ansonsten freuen wir uns, Ihnen neben einigen Veranstaltungshinweisen auch diesmal wieder mehrere interessante Literatur- und Podcast-Empfehlungen zukommen lassen zu können.
In eigener Sache: Alle Mitglieder, die bislang unseren regelmäßigen Rundbrief/Newsletter noch postalisch erhalten, möchten wir im Hinblick auf den deutlich höheren Arbeitsaufwand, die höheren Kosten und insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemiebedingungen dringend bitten, uns ihre Mailanschrift mitzuteilen. Wir werden das Versenden von Informationen und Einladungen durch Briefe auf Dauer nicht aufrechterhalten können.
Kontaktieren Sie uns gerne und geben Sie uns eine kritische Rückmeldung zu unseren Rundbriefen und Newslettern.
Bleiben Sie gesund!