Newsletter Oktober 2022

Hier können Sie den aktuellen Newsletter für Oktober 2022 lesen.

Liebe Mitglieder und Interessierte,

nach drei quälenden Monaten immer neuer Antisemitismus-Skandale ging vergangene Woche nun die Documenta 15 zu Ende. Auch an dieser Stelle ist bereits kritisch auf die Kunstausstellung hingewiesen worden und glücklicherweise fand eine breite öffentliche Debatte um das Kasseler Desaster statt. Das Ende der Documenta sollte den Beteiligten und Verantwortlichen Gelegenheit geben, das Geschehen zu reflektieren und daraus Lehren zu ziehen für künftige Großprojekte. Die öffentliche Zurschaustellung von abstoßenden Darstellungen von Jüdinnen und Juden ist etwas, dass wir als Gesellschaft nicht hinnehmen können und wir müssen alles dafür tun, dass so etwas nicht wieder passiert. Dazu gehört auch, endlich zu verstehen, dass sich das jahrtausendealte Ressentiment gegen Jüdinnen und Juden heute meistens den jüdischen Staat als Projektionsfläche sucht. Ein Element des israelbezogenen Antisemitismus ist die Dämonisierung des jüdischen Staates. Israel wird als absolut böse und allein verantwortlich für den palästinensisch-israelischen Konflikt dargestellt. Dies geschieht unter anderem durch untragbare historische Vergleiche fern jeder Realität der Verhältnisse vor Ort. Dort, wo der Vergleich mit dem Nationalsozialismus nicht so leicht über die Lippen geht, muss das südafrikanische Apartheids-Regime oder ganz allgemein der Kolonialismus als Referenz herhalten – das Ressentiment kann sich so hinter einer vermeintlich intellektuellen Fassade verstecken.

Nun lässt sich diese Ausdrucksform des Antisemitismus beileibe nicht nur im Kunstbetrieb finden. Zuletzt bezeugte auch die Vollversammlung des Ökumenischen Rat der Kirchen Anfang September in Karlsruhe, dass dieses Problem weit verbreitet ist. Unter dem Titel „Streben nach Gerechtigkeit und Frieden für alle im Nahen Osten“ veröffentlichten die versammelten Strömungen der evangelischen Kirche ein Dokument, welches Israel in aller Ausführlichkeit für alles Mögliche kritisiert, während die Anteile anderer Akteure im Nahen Osten nur am Rande Erwähnung finden. Explizit wird dagegen darauf verwiesen, dass „gewisse Kirchen und Delegierte den Gebrauch dieses Begriffs [Apartheid] nachdrücklich“ unterstützen – wohlgemerkt in Bezug auf den einzigen Staat in der Region, in dem Christinnen und Christen Ihren Glauben völlig frei ausüben können. Ein noch deutlicheres Bekenntnis zu diesem antisemitischen Sprachgebrauch wurde laut Bericht in der Jüdischen Allgemeinen wohl durch die deutsche Delegation verhindert. Das zeigt, dass es in der evangelischen Kirche in Deutschland sehr wohl die Bereitschaft gibt, sich kritisch mit Antisemitismus auseinanderzusetzen. Aber angesichts des durchaus bei einigen Gläubigen noch immer vorhandenen klassisch religiös begründeten Antisemitismus, der Rolle der Kirchen im Nationalsozialismus und die emotional belastende gegenwärtige Auseinandersetzung damit sowie einer weitverbreiteten unkritischen Palästinasolidarität, die auch die Zusammenarbeit mit antisemitischen und zum Teil sogar gewaltbefürwortenden Akteuren vor Ort einschließt, bleibt noch viel zu tun.

Schließlich besorgt uns noch der Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse in Schweden und Italien, wo rechtspopulistische und teilweise faschistische Parteien Erfolge feierten und Regierungen bilden können. Darüber hinaus lässt sich in beiden Ländern sehen, wie rassistische Diskurse weit ins bürgerliche und sozialdemokratische Milieu hinein Einfluss gewonnen haben. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen werden resignativ abgewehrt und den Schwächsten angelastet. Auch in Deutschland fahren AfD und BILD bereits Kampagnen gegen Geflüchtete. Wir werden uns weiterhin diesen Tendenzen in unserer Gesellschaft vehement entgegensetzen.

Sie finden in diesem Newsletter viele Hinweise und Veranstaltungen zu einer Vielzahl von Themen, die mit dem Angesprochenen in Zusammenhang stehen. Ganz besonders herzlich möchten wir Sie zu unserem traditionellen Gedenkkonzert Da Pacem am 5. November sowie zur Gedenkveranstaltung in der Synagoge am 9. November einladen. Beide Veranstaltungen erinnern an die furchtbaren Ereignisse der Novemberpogrome 1938.

Wir bedanken uns für Ihr Interesse und freuen uns darauf, Sie dort oder bei einer der anderen Veranstaltungen zu sehen und mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.