Offener Brief zum Städtepartnerschafts-konzept

Als Reaktion auf das Städtepartnerschaftkonzept, welches den Ausschüssen des Rates der Stadt Köln vorgelegt werden soll, richtet Herr Prof. Dr. Jürgen Wilhem, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, einenen offenen Brief an die Oberbürgermeisterin Henriette Reker. In diesem formuliert der Vorsitzende große Bedenken bezüglich einiger Textpassagen in dem Konzept und fordert dringlichst zu einer Überarbeitung auf. Der offene Brief ist im Folgenden zu lesen:

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Frau Reker,

ich schreibe Ihnen heute wegen einiger Passagen in dem neuen Städtepartnerschaftskonzept der Stadt Köln, das Sie den Ausschüssen des Rates vorlegen werden. Insbesondere möchte ich Sie auf Passagen aufmerksam machen, die sich vor allem auf den Seiten 34und 35 mit dem Nahostkonflikt beschäftigen.

  1. Hier bleibt zunächst schleierhaft, aus welchen Gründen dieser schwierigste und komplexeste aller internationalen Konflikte in einem kommunalen Partnerschaftsprogramm derart hervorgehoben wird, wenn gleichzeitig nichts, etwa zu politischen Problemen in Brasilien, China oder Russland, gesagt wird. Es finden sich hier Formulierungen, die sich weder an der Politik der Bundesregierung noch an Beschlüssen der UN orientieren.
  2. Eine völlige Entgleisung ist der Begriff „Narrativ“ in Bezug auf den Holocaust. Im Grunde unnötig zu wiederholen: Der Holocaust ist eine historische Tatsache, kein „Narrativ“.
  3. Die Rolle, die der Stadt Köln oder den Partnerschaften zu Tel Aviv und Bethlehem zugesprochen wird, ist ebenfalls irritierend. Es wird von einer „Vermittlerrolle“ gesprochen. Im Hinblick auf die deutsche Geschichte erscheint diese Rolle anmaßend. Dabei soll die Möglichkeit politischen Handelns auf der kommunalen Ebene nicht geringgeschätzt werden. Dennoch ist hier Demut angebracht.
  4. Unverständlich die Formulierung „Die Singularität des Holocaust wird nicht relativiert, wenn auch die unterschiedlichen Gewalterfahrungenaus dem seit Jahrzehnten ungelösten israelisch-palästinensischen Konflikt in diese Erzählungen einfließen.“(S. 34, Ziffer 4). Was ist hier gemeint? Dass der Holocaust keine „Erzählung“ ist, wurde bereits gesagt. Wie soll der von den Deutschen verursachte und durchgeführte systematische Völkermord an den Juden Europas „mit ​unterschiedlichen Gewalterfahrungen“ in den Nahost- Konflikt „einfließen“? Hier hat man sich sowohl in der Formulierung und in der beabsichtigten Aussage offenbar verhoben.
  5. Aus welchen Gründen die international heftig umstrittenen „Siedlungen“ Eingang in ein Konzept für eine kommunale Städtepartnerschaft gefunden haben, ergibt sich wohl nur daraus, mit diesen Siedlungen nicht zusammenarbeiten zu wollen. Das erscheint auch wieder bevormundend und ist jedenfalls nicht Teil der Politik der Bundesrepublik Deutschland, die in ihren Papieren sich nicht derart anmaßend in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischt. Politik der UN (allerdings ohne die USA) und der EU ist, dass an Israel appelliert wird, auf einen Ausbau der Siedlungen zu verzichten; es gibt jedoch keine Resolution, die Zusammenarbeit mit den dort bereits lebenden Menschen zu verbieten (Boykott).

Es gibt noch weitere Formulierungen, die man in Bezug auf die Partnerstädte Tel Aviv und Bethlehem
hinterfragen könnte. Insgesamt jedoch muss festgestellt werden, dass das Konzept an dieser Stelle mit einer unangemessenen Bedeutungsschwere und teilweise unausgewogenen Wertungen und politischen Ansichten daherkommt, die nicht denen der Bundesrepublik und den wichtigsten Beschlüssen der internationalen Staatengemeinschaft entsprechen. Davor sollte sich die Stadt Köln hüten. Wir schlagen deshalb dringend eine solide und professionelle Überarbeitung oder eine Streichung
der oben genannten Passagen vor.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm
Vorsitzender

Den offenen Brief können Sie hier als PDF herunterladen.