„Auch in Zeiten von Corona dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Demokratie bedroht ist. Unsere Arbeit geht deshalb weiter!“, sagt Prof. Dr. Jürgen Wilhelm und stellt unser Programm für das Jahr 2020 vor.
Der Vorsitzende der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Jürgen Wilhelm, erklärt aus Anlass der bevorstehenden Feiertage Pessach und Ostern:
„Es ist keine sechs Wochen her, dass in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven und die Mutter des Attentäters erschossen wurden. Seitdem scheint die Welt eine andere geworden zu sein. Die globale Ausbreitung des Corona-Virus beherrscht die Schlagzeilen und die bis vor kurzem täglichen Berichte in den Medien über den allgegenwärtigen und immer militanter werdenden Antisemitismus scheinen wie weggeblasen.“
Auch wenn dies angesichts der Größe der Bedrohung verständlich erscheint, sollten wir in diesen Tagen nicht vergessen, dass die Demokratie in Deutschland weiterhin massiv bedroht ist. Dem rechtsterroristischen Attentat von Hanau ging der Anschlag auf die Synagoge in Halle und die anschließende Ermordung zweier Passanten, die Ermordung von Walter Lübke und die Enttarnung verschiedener rechtsextremistischer Gruppen und Terrorzellen voran. Und politische Vertreter dieses rechtsradikalen Gedankenguts sitzen weiterhin in Landesparlamenten und im Bundestag. Wir sind erleichtert, dass der Verfassungsschutz den Neonazi-Flügel um Höcke, Kalbitz und Co. endlich als offen verfassungswidrig ein-schätzt, eine Beobachtung, die wir seit Jahren gefordert haben.
Denn es kann längst nicht mehr von „Wehret den Anfängen“ gesprochen werden, denn vielmehr befinden wir uns inmitten eines Kulturkampfes gegen rechts, der nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle demokratischen Kräfte ihr Engagement bündeln und strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden, um zivilgesellschaftliches Handeln nachhaltig zu ermöglichen. Die Abwehr rechter Ideologien und die Verteidigung demokratischer Werte zählt für die Kölnische Gesellschaft seit mehr als sechs Jahrzehnten zu den Kernaufgaben ihres Handelns.
Natürlich sind auch wir in diesen Wochen in unseren Aktivitäten eingeschränkt, doch werden wir unmittelbar in der Zeit nach der Corona-Pandemie in diesem Sinne viele Vorhaben umsetzen.
Mit der Spendenverdoppelungsaktion „Rote Karte gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus“ konnten wir mit Unterstützung der Bethe-Stiftung etwas mehr als 70.000,– € an Spenden einwerben. Dies ermöglicht uns, aktuell eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Autoritarismus zu organisieren. Dabei soll es unter anderem um die Frage gehen, wieso rassistische und antisemitische Ideologien für viele Menschen besonders attraktiv sind.
Darüber hinaus beabsichtigen wir eine engere Zusammenarbeit mit Erzieherinnen und Pädagogen, da sie der Kern der Multiplikatoren für junge Menschen in Schule und Ausbildung sind. Konkret bauen wir neue Netzwerke auf und planen bereits Workshops zu den Themen „Rassismus in Kinderliteratur“ und „Nationalsozialistische Erziehung und ihre Kontinuitäten“. Im Herbst wird außerdem Kutlu Yurtseven, ein Kölner Rapper, der sich seit langer Zeit gegen Rassismus engagiert, sein Buch „Eine ehrenwerte Familie. Die Microphone Mafia – Mehr als nur Musik“ vorstellen und im Anschluss noch ein Konzert geben.
Ferner werden wir neue Fortbildungsformate zum Thema Antisemitismus im Rahmen des Projekts „Jederzeit wieder! Gemeinsam gegen Antisemitismus“ entwickeln. Neben der Sensibilisierung und Qualifizierung von Lehrkräften und Sozialarbeiterinnen wird außerdem die Arbeit mit Jugendlichen in der außerschulischen Bildung auf unserem Programm stehen. Ebenso werden wir weiterhin unsere bundesweit gezeigte Ausstellung „Du Jude! Alltäglicher Antisemitismus in Deutschland pädagogisch begleiten.
Auch unsere traditionellen Veranstaltungen sollen soweit wie möglich in diesem Jahr durchgeführt werden. Die Festveranstaltung zum Leitmotiv der „Woche der Brüderlichkeit“ mit dem Internetblogger und Journalisten Sascha Lobo, der sich in seinen Vortrag vor allem mit dem gegenwärtigen Rechtsruck in Gesellschaft und Parlamenten auseinander-setzen will, kann nicht wie geplant am 23. April stattfinden, wird aber auch jeden Fall nach-geholt.
Auch unsere Reihe „Jüdische Persönlichkeiten“, die wir in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk durchführen, soll in diesem Jahr mit einem Vortrag von Eva Weissweiler zu „Zionismus und Pazifismus – Dora Benjamin und die innerjüdische Diskussion“ fortgesetzt werden.
Zudem werden wir das neue Buch von Jürgen Wilhelm über den Kölner Zionist und Mitbegründer der Sozialdemokratie Moses Hess vorstellen.
In der Reihe „Das Lehrhaus“ werden wir uns weiterhin mit jüdischen Leben und Wirken in der Gegenwart beschäftigen.
Zu allen geplanten Veranstaltungen erhalten Sie rechtzeitig über unseren Newsletter und über unsere Social-Media-Kanäle nähere Informationen.
Wir wünschen unseren jüdischen Freunden zum Fest der Freiheit (Pessach) Liebe, Glück und Zuversicht und unseren christlichen Mitgliedern ein frohes und friedliches Osterfest!“
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marcus Meier (Geschäftsführer)
Rückfragen per Mail an:
Marcus Meier: marcus.meier@koelnische-gesellschaft.de
Jürgen Wilhelm: juergen.wilhelm@lvr.de