Die Bundesregierung hat angekündigt, die Ausgaben für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) um ein Fünftel von 96 auf 76 Millionen Euro kürzen zu wollen.
Über die bpb werden nicht nur ihre eigenen Projekte und Veröffentlichungen finanziert, sondern auch zahlreiche Vereine und Initiativen können ihre Maßnahmen nur aufgrund der Unterstützung, die die bpb verwaltet, anbieten.
Die politische Bildung ist für eine freiheitlich demokratische Gesellschaft ein zentrales Gut. Das gilt auch in „normalen“ Zeiten, denn auch dann ist sie mit Ideologien und antidemokratischen Dynamiken konfrontiert. Wir leben aber leider nicht in „normalen“ Zeiten, sondern in solchen, in denen diese Ideologien eine immense Popularisierung erfahren haben, was sich unter anderem auch in alarmierenden Wahlumfragen ausdrückt. Wir sehen, worauf selbst staatliche Stellen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz hinweisen, eine zunehmend offene Akzeptanz rechtsextremer Einstellungen sowie Hass auf gesellschaftliche Minderheiten auf den Straßen wie in den sozialen Netzwerken. Auch Betroffene berichten von einer zunehmenden Feindseligkeit, die ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erschwert. Sie reagieren nachvollziehbarerweise mit Angst und Entsetzen auf die gegenwärtigen Entwicklungen. Seit der Pandemie ist überdies deutlich geworden, wie groß auch das Potential für Verschwörungsdenken und antiwissenschaftliches wie antidemokratisches Denken in vielen Milieus der Gesellschaft ist. Insbesondere der Antisemitismus erfährt hierbei einen enormen Auftrieb und dient, wie schon oft in der Geschichte, als Welterklärung sowie der Markierung vermeintlich Schuldiger. Hierzu kommen aktuell auch noch Debatten zum Ukraine-Krieg, in denen tiefsitzende Sympathien für autoritäre Strukturen offenbar werden.
Die politische Bildung hat für diese Situation kein kurzfristiges Heilmittel anzubieten. Aber sie stellt ein zentrales Korrektiv zu diesen Ideologien dar, insofern ihre Programme auf die Möglichkeit zur Reflektion, Aufklärung und Emanzipation setzen. Angesichts der Bedrohung für die offene Gesellschaft die politische Bildung nicht etwa zu stärken, sondern im Gegenteil zu schwächen, ist weder nachvollziehbar noch hinnehmbar, sondern schlicht unverantwortlich!
Wenn man den schamlos geäußerten Rassismus, Antisemitismus und Sexismus nicht einfach als neue Normalität zu akzeptieren bereit ist, benötigt man eine starke politische Bildung. Wie viele Programme aber, die gegen Hass und Hetze on- wie offline einstehen, die Räume für Emanzipation schaffen und so das Versprechen der „wehrhaften Demokratie“ erst mit Leben füllen, müssen aufgrund der Einsparungen eingestampft werden? Wie viele neue und dringend erforderliche Initiativen können gar nicht erst entstehen?
Laut dem Koalitionsvertrag sollte die Finanzierung der politischen Bildung endlich auf ein sicheres Fundament gestellt werden und sogar anwachsen. Dazu haben sich alle Regierungsparteien bekannt und wir fordern, dass die Regierung sich an ihr Wort hält!
Die angekündigten Kürzungen für die politische Bildung müssen zurückgenommen werden.
Wenn Sie sich dem Offenen Brief anschließen möchten oder bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Kölnische Gesellschaft unter kontakt@koelnische-gesellschaft.de oder unter 0221-3382 225.
Erstunterzeichner*innen:
Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., Köln
ABC Bildungs- und Tagungszentrum e.V., Drochtersen-Hüll
ADIRA NRW, Dortmund
agisra e.V., Köln
Alte Feuerwache e.V., Berlin
AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln / Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., Köln
ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V., Leipzig
Archiv der Jugendkulturen e.V., Berlin
Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins, Bochum
Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft (BBAG) e.V. , Potsdam
Bildungsbausteine, Berlin
Bildungshaus am Meer. Heimvolkshochschule Lubmin e.V., Lubmin
Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt am Main
Bildungsstätte Haus Ohrbeck e. V., Georgsmarienhütte
Das NETTZ gGmbH, Berlin
Entwicklungspolitisches Bildungs- und Informationszentrum e.V. – EPIZ, Berlin
Europäische Akademie Mecklenburg-Vorpommern e.V., Waren/Müritz
FUMA. Fachstelle Gender und Diversität NRW, Essen
Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V., Berlin
GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V., Bielefeld Jugendbildungstätte Bremen Lidice-Haus-Gemeinnützige GmbH, Bremen
Karl-Arnold-Stiftung e.V., Köln
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Diözesanverband Trier, Trier
Kumbig e. V. – das Kulturgetriebe, Köln
Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen*arbeit in NRW, Wuppertal
Neue deutsche Medienmacher*innen e.V., Berlin
Paritätisches Jugendwerk NRW, Wuppertal
pax christi – Deutsche Sektion e.V., Berlin
Regionale Arbeitsgemeinschaft Bildung und Lernen Oldenburg e.V., Oldenburg
Robert-Tillmanns-Haus e.V., Berlin
Rom e.V., Köln
Spiegelbild – politische Bildung aus Wiesbaden e.V., Wiesbaden
Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz, Brandenburg an der Havel
Türkische Gemeinde in Deutschland e.V., Berlin
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V., Berlin
Willi-Eichler-Akademie e.V., Köln
Friedrich Büßen; Studienleiter a.D. der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente/Ostholstein
Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller, Vorstandsvorsitzender Stiftung Ettersberg Weimar
Prof. Dr. Gudrun Hentges, Universität Köln
Florian Hessel, Ruhr-Universität Bochum
Thivitha Himmen, Köln
Prof. Dr. Birgit Jagusch, Technische Hochschule Köln
Helmut Landgraf, Diplompädagoge
Prof. Dr. Christiane Leidinger, Hochschule Düsseldorf
Dr. Nikolas Lelle, Projektleitung Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus (Amadeu Antonio Stiftung) Berlin
Prof. Dr. Stefanie Lieb, Katholische Akademie Schwerte
Paul Mentz, Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins, Bochum
Dr. Verena Paul, Studienleiterin Stiftung Demokratie Saarland, Saarbrücken
Henriette Schreiber, Anne Frank Zentrum e.V., Berlin
Reinhard Wenzel, Geschäftsführer August Bebel Institut, Berlin
180 Grad Wende e.V., Köln
Ahmet Edis, stellv. Vorsitzender des Integrationsrats Köln
IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle e.V., Oldenburg
Laura Cazés (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland)
Saloua Mohammed (M.A.), staatl. anerk. Sozialarbeiterin, wissenschaftliche Mitarbeiterin (TH Köln) und politische Bildnerin