Offener Brief

Offener Brief

In einem offenen Brief an den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, richtet Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, klare Worte.

Sehr geehrter Herr Bach,

als Vorsitzender einer Gesellschaft, der seit über sechzig Jahren über Antisemitismus aufklärt, bin ich sehr irritiert über die unkommentierte Verwendung nationalsozialistischer Propaganda durch das Internationale Olympische Komitee. Die Verbreitung entsprechender Bilder aus dem Jahr 1936, mit denen die Nationalsozialisten die Olympischen Spiele propagandistisch für sich vereinnahmten, über den Twitter-Account des IOC zeugt von einer großen Unsensibilität angesichts des historischen, aber auch aktuellen Antisemitismus.

An ihre Stelle sollte eine tatsächliche Aufarbeitung der Vergangenheit treten, die schließlich auch die Vergangenheit des IOC beinhaltet. Die Judenfeindschaft ist ebenso wie der Rassismus, mit dem sie verwandt ist, mit der olympischen Idee unvereinbar. Sie widerspricht den Grundsätzen von Respekt, gegenseitiger Verständigung und Fairness und hat in ihrer inzwischen jahrtausendelangen Geschich­te, die in der Vernichtung von sechs Millionen Menschen während der Shoah gipfelte, Jüdinnen und Juden unsagbares Leid zugefügt.

Jene, die ihnen Gewalt antaten, sollten nicht aufgewertet werden, indem man ihre Werke kritiklos weiterverbreitet. Auch angesichts des aktuellen weltweiten Anti­semi­tis­mus, der sich bei olympischen Spielen wiederholt in Form von Boykotten gegen israelische Sportlerinnen und Sportler ausgedrückt hat, wäre ein anderer Umgang mit dem Thema geboten und wünschenswert. Wir hoffen, dass das Internationale Olympische Komitee die vorgebrachte Kritik berücksichtigen und seinen unbedachten Umgang mit nationalsozialistischen Propagandainhalten reflektieren und ändern wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm
Vorsitzender

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