Hier können Sie den aktuellen Newsletter für Mai 2023 lesen.
Liebe Mitglieder und Interessierte,
am kommenden Montag, den 29. Mai, jährt sich zum 30. Mal der rassistische Brandanschlag von Solingen, infolgedessen fünf Menschen starben und 17 weitere schwere Verletzungen erlitten. Dem Anschlag auf das Haus der Familie Genç, durchgeführt von vier Tätern, ging in den frühen 1990er Jahren eine ganze Reihe rassistischer Angriffe im gesamten Bundesgebiet voraus. Bis heute besonders im öffentlichen Gedächtnis geblieben sind die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und der Brandanschlag von Mölln, bei dem 1992 drei Menschen starben. Neonazistische Gewalt war für viele Menschen eine alltägliche Bedrohung, sodass die damalige Zeit heute mitunter als „Baseballschlägerjahre“ bezeichnet wird. Begleitet wurde die neonazistische Gewalt von einer oft rassistisch und in schrillen Tönen geführten „Asyldebatte“, die in einer deutlichen Einschränkung des Grundrechts auf Asyl mündete. In der damaligen Zeit entstanden auch jene Strukturen, aus denen einige Jahre später der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hervorging. Eine unrühmliche Rolle haben dabei immer wieder die Polizei und der Verfassungsschutz gespielt. In Solingen besuchten die späteren Täter eine Kampfsportschule, die von einem V-Mann des Verfassungsschutzes betrieben wurde, der mutmaßlich auch an ihrer Radikalisierung mitwirkte. Im Falle des NSU ist bis heute nicht geklärt, wie die Terrorgruppe derart lange unentdeckt morden konnte. Während des Mordes an Halit Yozgat hielt sich ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sogar am Tatort, einem Internetcafé in Kassel, auf; er sagte später aus, von der Tat nichts mitbekommen zu haben.
Solche Erfahrungen, aber auch die immer wieder aufkommenden Berichte über gewaltbereite, neonazistische Strukturen, teils auch in Bundeswehr und Polizei, mahnen uns, in unserem Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus nicht nachzulassen. Auch zeigen sie, wie wichtig eine kritische Berichterstattung ist, die Missstände aufzeigt und auf ihre Aufarbeitung pocht. Eine aktive Zivilgesellschaft entsteht nicht von selbst, sie muss aktiv aufgebaut und aufrechterhalten werden. Ein Teil dessen ist, an die Opfer rassistischer Gewalt zu erinnern, sie nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen.
Ein anderer Teil besteht darin, im Hier und Jetzt Rassismus und Antisemitismus laut zu widersprechen. In diesem Sinne haben wir mit großen Teilen der Zivilgesellschaft und der städtischen Politik am 8.5.23, wie in unserem vorherigen Newsletter angekündigt, auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom gegen das Konzert von Roger Waters protestiert.
Der ungebrochene Zuspruch zu Waters Auftritt am nächsten Tag mit den üblichen, leider zu erwartenden verbalen Ausfällen, die zum Teil widerlich antisemitisch sind, ist für uns enttäuschend. Trotzdem war es richtig, in Form einer Kundgebung unseren Protest kundzutun, und wir danken den etwa 250 Menschen, die sich vor Ort unseren Forderungen angeschlossen haben. Auch die Berichterstattung über unseren Protest in den Medien war erfreulich unterstützend.