Unsere Fachtagung „Trennlinien und Schnittflächen – Antisemitismus und Rassismus in der politischen Bildung“ am 23.10.23 – ein Bericht

Am vergangenen Montag (23.10.) fand im Haus der Evangelischen Kirche in der Kölner Südstadt unsere Fachtagung „Trennlinien und Schnittflächen – Antisemitismus und Rassismus in der politischen Bildung“ statt.

Als der Fachaustausch konzipiert und geplant wurde, konnten wir nicht ahnen, wie hochaktuell das Thema in diesen Oktobertagen werden würde. Die Anzahl der journalistischen und der Social-Media-Beiträge zu Antisemitismus und Rassismus sowie zur (partei-)politischen Instrumentalisierung antisemitismuskritischer Kämpfe ist schier unüberschaubar. Daher blieb es nicht aus, dass der terroristische Überfall der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung, der Krieg in Israel und Gaza und die sich häufenden antisemitischen Vorfälle in Deutschland auch von unseren Referent:innen thematisiert wurden.

Nach einer Einführung von Maren van Norden und unserem Geschäftsführer Marcus Meier gab Floris Biskamp in seiner Keynote erst einmal einen theoretisch-wissenschaftlichen Einblick ins Themenfeld. Er führte aus, wie sich die Projekte Antisemitismuskritik und Rassismuskritik voneinander unterscheiden und was ihnen gemein ist: Bei beidem handelt es sich um emanzipatorische Bewegungen, die die Bekämpfung von Ungleichheiten zum Ziel haben.

An der sich direkt anschließenden Podiumsdiskussion waren neben Floris Biskamp auch Randi Becker und Monty Ott beteiligt. Becker hofft auf einen Reflexionsprozess in puncto Antisemitismus in rassismuskritischen und feministischen Kreisen und Diskursen. Man dürfe dennoch nicht pauschal davon ausgehen, dass in der Rassismuskritik generell antisemitische Positionen vertreten werden. Monty Ott sprach über die Empathielosigkeit vieler Menschen angesichts des Massakers, das die Hamas in Israel verübte, und forderte gleichzeitig, Berührungsängste abzulegen. Es sei wichtig, sich in den scharf geführten Debatten auch auf andere Sichtweisen einzulassen.

Nach der Mittagspause ging es schließlich in vier Debattenräumen weiter. Leider hat die Krankheitswelle auch vor unseren Mitwirkenden nicht Halt gemacht, sodass unter anderem der Debattenraum zum Thema „Intersektionalität von Rassismus und Antisemitismus in der Beratung“ ausfallen musste. Dafür wurde es in den restlichen Räumen teilweise recht voll.

Zu den Themen „Israelbezogener Antisemitismus“, „Postkolonialismus und Holocausterinnerung“, „Rassismus und Antisemitismus zusammendenken?!“ und „Perspektiven auf den Lernort Schule“ konnte man sich dort in einem persönlicheren Setting auch in Kleingruppen austauschen.

Im Debattenraum zu „Postkolonialismus und Holocausterinnerung“ mit Inputs von Marianne Bechhaus-Gerst und Steffen Klävers sollten sich die Teilnehmer:innen mit Fragen beschäftigen, die sehr theoretisch und zugleich auch sehr praxisnah waren. Wie kann eine angemessene Erinnerungsarbeit zu deutschen Kolonialverbrechen und zum Holocaust konkret aussehen? Konkurriert die ausführliche Behandlung der NS-Zeit im Schulunterricht mit der Integration vom deutschen Kolonialismus und postkolonialen Perspektiven? Es gab und gibt keine einfachen Antworten; umso wertvoller waren indessen die Denkanstöße seitens der Teilnehmenden und der Referent:innen.

Mit einer Kaffeepause, die auch dem kollegialen Austausch diente, ließen wir den anregenden Fachtag langsam ausklingen. In seinem Schlusswort hielt Olaf Kistenmacher, der dankenswerterweise für die erkrankte Referentin Astrid Messerschmidt einsprang, prägnant die aktuellen Fragestellungen fest und betonte die Bedeutung der Bildungsarbeit im Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus. Gleichzeitig wies er auf die zahlreichen Lücken der Bildungsarbeit im schulischen Kontext hin.

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Ein Begriff, der an diesem Tag immer wieder fällt, ist Ambiguitätstoleranz. Wie so oft in Zeiten aufflammender Gewalt im Nahostkonflikt, ist zurzeit wieder eine gesellschaftliche Spaltung in zwei Lager zu beobachten. Klare Benennung von Antisemitismus ist in öffentlichen Stellungsnahmen zum größten Massenmord an Jüdinnen:Juden seit der Shoah oft vergeblich zu suchen. Auf der anderen Seite führt die pauschale Verurteilung von Muslim:innen und die Externalisierung des Problems Judenhass („der Antisemitismus ist importiert“) zu verstärktem Rassismus und migrationspolitischen Entwicklungen, die der AfD in die Hände spielen.

Ambiguitätstoleranz meint die Fähigkeit, Widersprüchlichkeit und unterschiedliche Perspektiven wahrnehmen und aushalten zu können. Für die antisemitismus- und rassismuskritische Arbeit bedeutet dies auch, Empathie zu entwickeln, einander zuzuhören, voneinander zu lernen. Und im Sinne der gewaltfreien Kommunikation Meinungsverschiedenheiten mit Respekt und Sensibilität ausdiskutieren zu können.

Wie die neuen Erkenntnisse in der Praxis der Bildungsarbeit umgesetzt werden können, das wird nach unserem Austausch am Montag klar: dafür gibt es keine Patentlösung, das wird von Fall zu Fall unterschiedlich aussehen. Auf unserer Fachtagung konnte man jedoch erleben, wie aufmerksames Zuhören und „freundlicher Widerspruch“ zu einer lebendigen Diskussionskultur und einem harmonischen Koexistieren von Differenzen beitragen.

Wir freuen uns, dass wir mit über 100 Teilnehmer:innen und einem recht jungen Publikum viele Multiplikator:innen ansprechen konnten. Ganz herzlichen Dank an alle Mitwirkenden und Teilnehmenden!

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Abschließend sei an dieser Stelle noch auf die „Digitale Sprechstunde“ hingewiesen, eine Terminreihe von OFEK e.V. und vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment im Rahmen des Projekts „ACT gegen Gewalt“, die sich an Pädagog:innen und politisch Bildende richtet.

„Durch die Möglichkeit der thematisch fokussierten Selbstreflexion und kollegialen Austausch zielt das Format darauf ab, Lehrkräfte und schulnahe Akteur*innen zu einem antisemitismus- und diskriminierungssensiblen Umgang mit der aktuellen Situation zu führen, bei dem der Schutz von Betroffenen im Vordergrund steht.“

Nächste Termine:

Donnerstag, 02.11.2023, 16:00-17:30 Uhr

Donnerstag, 09.11.2023, 16:00-17:30 Uhr

Hier geht es direkt zur Anmeldung: https://eveeno.com/332261728

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